Der Bodengrund stellt neben der Filterung und der Beleuchtung den wichtigsten Eckpfeiler für die erfolgreiche Pflege des Aquariums dar. Als pauschal formulierte Faustregel gilt: "Bodengrund ist durch nichts zu ersetzen, außer durch noch mehr Bodengrund." Das soll heißen, je mehr Bodengrund eingesetzt wird, desto besser und stabiler funktioniert das Aquarium.
In der Natur besteht der Bodengrund in den Gewässern aus sehr unterschiedlichem Sand bzw. Kies. So findet man in schnellfließenden Gewässern meist vorwiegend grobe Kiesel. Je langsamer dagegen die Fließgeschwindigkeit wird, desto feiner wird der Untergrund. In stehenden bzw. beinahe stehenden Gewässern findet sich zumindest im tieferen Wasser regelmäßig eine dicke Schicht aus Schlamm und Sedimenten, die vielfach von einer ganzen Reihe von Lebewesen bewohnt wird. Häufig findet man allerdings auch massive Fäulnis in diesen Bereichen, besonders dann, wenn das Gewässer stark belastet ist. So werden diese Gewässer während des Frühlings und Sommers regelmäßig von Algenblüten heimgesucht, was auf die hohe Belastung mit Nährstoffen zurückzuführen ist. Fäulnis führt dem Wasser weitere Nährstoffe zu, vor allem Phosphat, was zu einer weiteren Verschlimmerung der Situation führt. Nach einer solchen Blüte kippen diese Gewässer in jährlicher Regelmäßigkeit in Folge von Sauerstoffarmut, weil die absterbenden Algenmassen das Gewässer weiter belasten. Da auch unsere Aquarien wegen der unnatürlich hohen Besatzdichte eher in diese Richtung tendieren, sollte man den Mulm und die Sedimente aus dem Bodengrund weitestgehend entfernen, zumal sie relativ wertlos für das Gesamtsystem sind. Dazu jedoch an anderer Stelle mehr. In Ufernähe solcher Gewässer findet man meist recht feinen Sand von erstaunlich gleichmäßiger Körnung. Hier finden sich die bevorzugten Standorte der Wasserpflanzen. In einigen Bächen und Flüssen findet man ebenfalls sehr konzentrierte Bestände von Pflanzen, die meist auf Sandbänken anzutreffen sind. Dort finden sich allerdings kaum einzeln stehende Pflanzen.
Bevor man sich der Frage nach dem idealen Bodengrund zuwendet, sollte ergründet werden, was darin biologisch abläuft. Ein Aquarium stellt ein ungemein komplexes und sensibles Ökosystem dar, bei dem kaum ein einzelner Faktor für sich selbst betrachtet werden kann, weil kleine Veränderungen zu gravierenden Veränderungen an ganz anderer Stelle führen können. Trotzdem soll dieser Versuch gewagt werden.
Der Bodengrund stellt ein eigenes Redox-System innerhalb des Aquariums dar. Es zeichnet sich dadurch aus, dass mit steigender Entfernung von der Oberfläche der unmittelbare Einfluss des Wassers sinkt. Das bedeutet jedoch nicht, dass dennoch beide Systeme nicht miteinander vernetzt blieben. Da im Bodengrund mit wachsender Tiefe immer weniger direkter Wasseraustausch stattfindet, wächst der Einfluss eines anderen Mechanismus, nämlich der Einfluss der Diffusion. Sie sorgt auch bei fehlender Wasserbewegung dafür, dass weiterhin ein Stoffaustausch mit dem darüberliegenden Wasser stattfindet. Diffusion ist ein Prozess, der in lebenden Zellen ebenfalls für den Stoffaustausch sorgt. Dabei macht sich die Natur den Umstand zunutze, dass im Wasser gelöste Stoffe das Bestreben haben, überall in gleicher Konzentration vorzuliegen. Weitergehende Grundlagen sollen an dieser Stelle nicht interessieren. Im Bodengrund spielen besonders bakterielle Vorgänge eine wichtige Rolle.
Bakterien benötigen zum Leben bestimmte Stoffe, die sie in den Stoffwechsel integrieren müssen, also in erster Linie Nahrung und Sauerstoff. Unter der Voraussetzung, dass Nahrung verfügbar ist, benötigen sie also darüberhinaus zusätzlich Sauerstoff. In den oberen Schichten findet sich davon reichlich im Wasser. Es liegt eine relativ hohe Redoxspannung vor. Hier können besonders die sauerstoffliebenden (aeroben) Bakterien ihren Stoffwechsel aufrechterhalten. Weiterhin leben in diesem Bereich ebenfalls die Nitrifikanten, die jedoch ohne organische Nahrung auskommen (autotrophe Bakterien, Nitrosomonas und Nitrobakter). Sie benötigen für ihren Stoffwechsel neben Sauerstoff und Ammonium bzw. Nitrit vor allem CO2 als Kohlenstoffquelle. In etwas größerer Tiefe wird der Wasseraustausch jedoch deutlich eingeschränkt, weshalb sich dort weniger bis gar kein Sauerstoff befindet. Daher können hier nur diejenigen Bakterien überleben, die mit wenig oder gar keinem Sauerstoff leben können. Hier finden sich vor allem die sogenannten fakultativ anaeroben Bakterien, das sind solche, die sowohl mit, als auch ohne Sauerstoff ihren Stoffwechsel aufrechterhalten können, und die anaeroben (sauerstofflos lebenden) Bakterien. Unter diesen Bakterien findet man solche, die vorwiegend reduktiv arbeiten können. Sie entziehen also anderen Stoffen den gebundenen Sauerstoff, um ihn in den eigenen Stoffwechsel zu integrieren. Dabei wird der beteiligte Stoff reduziert, z.B. Nitrat zu Nitrit (NO3 ---> NO2). Dabei sinkt die Redoxspannung deutlich ab. In diesem Bereich findet eine Anreicherung mit leicht verwertbaren Nährstoffen und Spurenelementen aus dem Reduktionsprozess statt. Dieser Bereich spielt für die Pflanzen die wichtigste Rolle. Weiterhin finden sich auch in diesem Bereich die Bakterien, die Nitrat zu Nitrit und Ammonium reduzieren. Dieser Prozess kann bis zum molekularen Stickstoff führen, der als gasförmiger Stickstoff in die Umgebungsluft entweicht oder im Wasser gelöst wird. Es kann weiterhin zu Methanbildung kommen, das ebenfalls in die Atmosphäre entweicht oder zum Teil wieder verarbeitet wird. Diese Vorgänge finden zumindest an natürlichen Standorten statt. Hier sind die Wasserparameter selbst bei einer Carbonathärte von 0 stabil, weil die oxidativen und die reduktiven Prozesse sich in etwa die Waage halten. Oxidative Prozesse kann man grob betrachtet als saure Prozesse bezeichnen, während die reduktiven Prozesse eher basisch ablaufen.
Im Aquarium kann das jedoch anders aussehen. Wie bereits erwähnt, wird für reduktive Prozesse im Bodengrund Nahrung für die Bakterien benötigt. Diese besteht nicht, wie vielfach angenommen wird, aus Ammonium, Nitrit oder Nitrat, sondern aus Eiweißen, Fetten und Kohlehydraten, also genau wie bei anderen Organismen auch, die heterotroph leben, also organisches Material verwerten. Um nun den Unterschied zwischen natürlichen Standorten und aquaristischen Gegebenheiten zu betrachten, fällt ein wesentlicher Unterschied deutlich auf. Dieser besteht in der Filterung, die an natürlichen Standorten nicht in dieser Form vorhanden ist. Im Aquarium wird im Filter der organische Anteil des Wassers aus dem Stoffwechsel der Fische sehr schnell verarbeitet, dies umso schneller, je schneller der Filter arbeitet. Daher können im Aquarium die Nährstoffe für die reduktiven Bodenbakterien fehlen. Es können dann nur noch diejenigen Bakterien im Bodengrund wirken, die autotroph leben, also sich nur von anorganischer Materie ernähren. Dies sind im reduktiven Bereich überwiegend diejenigen Arten, die Sulfate reduzieren, wobei Schwefelwasserstoff gebildet wird. Für diesen Prozess sind jedoch sehr niedrige Redoxspannungen erforderlich bzw. es darf kein Sauerstoff vorhanden sein. Auch sie benötigen als Kohlenstoffquelle CO2. Es findet also praktisch keine pflanzenrelevante Reduktion statt. Da in einem solchen Aquarium überwiegend oxidative, also eher saure Prozesse ablaufen, besteht die Gefahr, dass bei sehr niedriger Carbonathärte ein Säuresturz erfolgt. Nun kann man erkennen, dass sich ein Aquarium erheblich von einem natürlichen System unterscheidet. In solchen Aquarien reichert sich Nitrat verstärkt an. Um diesem Umstand zu begegnen, betreibe ich meine Aquarien nur noch ohne Filter, aber mit sehr starkem Pflanzenwuchs. Für stärker belastete Systeme bietet sich der Diffusionsfilter an, der die natürlichen Prozesse auf das Aquarium projiziert und somit die weiter oben beschriebenen natürlichen reduktiven Abbauprozesse fördert.
Wie wirkt sich nun die unterschiedliche Bodengrundbeschaffung auf die beschriebenen Prozesse aus? Je feiner ein Bodengrund ausgelegt wird, desto eher (auf die Tiefe bezogen) finden die reduktiven Prozesse statt. Das liegt zum Einen daran, dass das Aquarienwasser weniger in den Bodengrund eindringen kann und zum Zweiten daran, dass die Oberfläche der Gesamtheit der Kies- bzw. Sandkörner erheblich größer pro Volumeneinheit ist. Also bietet der Sand die größte wirksame Besiedlungsfläche für Bakterien. Weiterhin wird mit sinkender Korngröße der Zwischenraum zwischen den einzelnen Körnern geringer, weshalb der Eintrag von Feststoffen (Mulm, Kot) sinkt. Das führt zu einer geringeren Belastung des Bodengrundes. Die Gefahr der Verdichtung sinkt ebenfalls. Das funktioniert natürlich nur bis zu einer gewissen Korngröße. Wenn diese unterschritten wird, kommt es ebenfalls zu einer Verdichtung und somit zu der Gefahr des Kippens. Als untere Korngröße würde ich daher 0,5 mm annehmen wollen. Weiterhin ist die Bandbreite der Körnung ebenfalls von großer Wichtigkeit, denn bei unterschiedlichen Korngrößen kommt es zu einer höheren Dichte als bei einkörnigem Sand oder Kies (Sand oder Kies mit gleicher Korngröße). Die feineren Körner schließen die Lücken zwischen den Groben und veringern somit die Durchlässigkeit. Aus diesem Grund kann nur zu den einkörnigen Siebungen geraten werden, wie sie im Zoofachhandel angeboten werden. Die billigeren ungesiebten bzw. grobgesiebten Sande oder Kiese aus Baustoffhandlungen sollten daher besser gemieden werden.
Der Stoffaustausch findet, wie bereits beschrieben, auf der Basis der Diffusion statt. Daher ist es sogar von Vorteil, wenn der Bodengrund nicht von Aquarienwasser durchspült wird, denn dann können diese Austauschprozesse erst in tieferen Schichten stattfinden. Ziel sollte jedoch sein, den Bodengrund in seiner vollen Stärke nutzen zu können. Also bietet sich Sand als Material geradezu an. Dieser sollte in möglichst dicker Schichtstärke eingesetzt werden. Der Stoffaustausch findet durch unterschiedliche Konzentrationen von gelösten Stoffen statt. Dabei ist es unerheblich, ob diese Stoffe ionisiert vorliegen oder molekular. Es diffundieren sowohl die gelösten organischen Stoffe als auch die ionisiert vorliegenden Mineralsalze in den Bodengrund. Dies geschieht solange, bis kein Konzentrationsgefälle mehr vorliegt. Da aber im Bodengrund Bakterien angesiedelt sind, werden viele dieser Stoffe umgewandelt und erzeugen somit erneut ein Konzentrationsgefälle. Es findet also ein stetiger Stoffumsatz statt. Natürlich kann dies nur dann geschehen, wenn die beteiligten Bakterien mit allen benötigten Stoffen versorgt werden. Fehlen z.B. wegen der Filterung weitestgehend die organischen Bestandteile im Wasser, die von den reduktiven Bakterien benötigt werden, kann der daraus resultierende Stoffumsatz ebenfalls nicht funktionieren. Bestandteil der natürlichen Abbaukette fehlen somit. Es kann dann nur noch die oxidative Filterwirkung der nitrifizierenden Bakterien ablaufen, weil diese eben unabhängig von organischen Nährstoffen existieren. Sie benötigen neben Ammonium und Nitrit hauptsächlich CO2 und Sauerstoff für ihren Stoffwechsel. Da diese Stoffe ebenfalls im Wasser gelöst sind, gelten für sie ebenso die Gesetze der Diffusion, also werden sie ebenfalls in den Bodengrund diffundieren. Die landläufige Meinung, dass im Sand kein Sauerstoffaustausch mit dem Umgebungswasser stattfinden würde, ist nicht richtig. Ganz im Gegenteil: In stark gefilterten Aquarien kann sogar ein Sauerstoffeintrag bis zur Bodenscheibe stattfinden, weil unter diesen Bedingungen die nitrifizierenden Bakterien weitestgehend fehlen uns somit keinen Sauerstoff verbrauchen. Bei dieser Betrachtung wird einmal mehr deutlich, wie stark die einzelnen Faktoren miteinander vernetzt sind. Die beschriebenen Fälle stellen natürlich Extreme dar, die so in der Regel kaum vorkommen. Es wird sich immer ein Zustand dazwischen einstellen.
Der Bodengrund ist für das Wachstum der Pflanzen von großer Bedeutung. Zum Einen als Befestigungsunterlage und zum Zweiten als Nährstoffgrundlage. Wie weiter oben beschrieben, findet man Pflanzen an natürlichen Standorten überwiegend dort, wo der Untergrund aus Sand besteht, womit die Vorliebe für deren Besiedlung wohl eindeutig in diese Richtung tendiert. Bleiben wir beim natürlichen Standort mit seiner vielfältigen Bakterienfauna im Untergrund. Für die Pflanzen von besonderer Bedeutung sind die reduktiven Vorgänge, denn sie bieten ihnen sehr viele Nährstoffe und Spurenstoffe in einer Form an, die sie besonders leicht verarbeiten können. Dazu gehören vor allem Ammonium und Nitrit, Phosphate, CO2, Schwefelverbindungen, Eisen, Mangan usw., die z.T. in ihrer höchsten Oxidationsstufe für Pflanzen nur sehr schwer verwertbar wären. Dabei entnehmen sie dem Bodengrund diese Nährstoffe und Spurenelemente. Also wachsen die Pflanzen hervorragend. Gehen wir nun von dem anderen Extrem mit dem überfilterten Aquarium aus. Hier findet im Bodengrund keine reduktive Tätigkeit statt. Daher liegen Nähr- und Spurenelemente nur in der jeweils höchsten Oxidationsstufe vor. Die Pflanze muss mit körpereigenen Enzymen diese Stoffe nun in eine Form bringen, die sie verwerten kann. Das bedeutet, dass sie enorme Mengen an Energie dafür aufwenden muss, die sie bei der Photosynthese gewonnen hat. Es folgt schlechtes Wachstum mit Chlorose-Erscheinungen. Auch hier ist zu erwähnen, dass die meisten Aquarien einen Zustand zwischen diesen Extremen erreichen.
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