Die Einlaufphase


Das neue Aquarium steht endlich an seinem Platz, die Pflanzen sind eingesetzt und Wasser ist eingefüllt. Die Beleuchtungszeit ist mittels einer Schaltuhr auf 12-14 Stunden eingestellt und die weitere technische Ausstattung ist ebenfalls installiert. Jetzt sollen Fische gekauft werden.

An dieser Stelle erfolgt ein eindringliches "Stopp". Warum sollen jetzt keine Fische eingesetzt werden? Um diese Frage zu beantworten, muss man wissen, was in einem Aquarium nach der Neueinrichtung biologisch abläuft. Das Becken ist direkt nach der Einrichtung biologisch weitestgehend tot, d.h. es sind noch keine bzw. nicht ausreichende Mengen an Bakterien und Mikroorganismen vorhanden. In den ersten Wochen und Monaten werden eine Menge voneinander abhängige biologische und biochemische Prozesse ablaufen, die teilweise für Fische hochgiftige Stoffe im Aquarium anreichern. Einige dieser Stoffe kann man messen. Aus diesem Grund soll hier dringend angeraten werden, gute Testbestecke zu kaufen. Diese sollten, soweit elektronische Messgeräte aus Kostengründen oder wegen Unverfügbarkeit nicht in Frage kommen, als Tropfentests zugelegt werden. Die ebenfalls verfügbaren Teststreifen sind kaum geeignet, sinnvolle Ergebnisse zu liefern, da ihre Ablesegenauigkeit erheblich zu grob ist. Auch bei den Tropfentests gibt es enorme Qualitätsunterschiede. Man sollte darauf achten, dass zumindest der Nitrit-Test auch Werte unter 0,3 mg/l zuverlässig darstellen kann. Unbedingt empfehlenswert sind die folgenden Testbestecke: pH, GH, KH, NH3, NO2, NO3, PO4 und Fe.

Der pH-Test misst, grob gesagt, den Säuregehalt des Wassers. Er gibt bei Werten unter pH 7 an, wie sauer und bei Werten über pH 7, wie alkalisch das Wasser ist. Dabei entspricht eine Veränderung um einen pH-Punkt einer tatsächlichen Veränderung um den Faktor 10. Ein Wasser mit pH 5 ist also zehnmal so sauer wie ein Wasser mit pH 6! Der GH-Test liefert als Messwert den Anteil der Erdalkalimetalle im Wasser, vorwiegend also Calzium und Magnesium. Die Angabe erfolgt in °deutsche Härte. Der KH-Test liefert den Anteil der Carbonat- bzw. Hydrogencarbonat-Ionen im Wasser. Dies ist der Wert für die Pufferkapazität, die das Wasser gegenüber Säuren besitzt. Die Angabe erfolgt ebenfalls in °deutsche Härte. Der NH3-Test liefert den Ammonium- bzw. Ammoniak-Gehalt des Wassers in mg/l. Der NO2-Test misst den Gehalt des Nitrit-Stickstoffes im Wasser und wird angegeben in mg/l. Bei dem NO3-Test wird der Gehalt an Nitrat inkl. Nitrit gemessen und erfolgt ebenfalls in mg/l. Mit dem PO4-Test wird der Phosphatgehalt des Wassers in mg/l gemessen. Der Fe-Test liefert den Eisengehalt des Wassers in mg/l. Dieser Messwert steht stellvertretend für alle Spurenelemente, die von den Pflanzen benötigt werden. Tiefergehende Erklärungen erfolgen bei den entsprechenden Themen im Chemie-Teil. An dieser Stelle interessieren vor allem der pH-Wert, der NH3- und der NO2-Wert.

Wie bereits erwähnt, stellen sich in der Anfangszeit sehr unterschiedliche Prozesse ein, die wiederum andere Prozesse auslösen. So werden sich zu Anfang zuerst diverse Mikroorganismen vermehren und so für eine gewisse Wasserbelastung sorgen, die jedoch relativ gering ausfällt. Dennoch reicht sie aus, dass sich verschiedene Bakterien entwickeln können, die die entstehenden Stoffwechselprodukte in ihre Bestandteile zerlegen. Dabei entsteht über verschiedene Zwischenprodukte unter anderem Ammonium bzw. Amoniak. Da sich meist der pH-Wert des Wassers anfangs deutlich über 7 befindet, liegt ein Teil des relativ ungiftigen Ammoniums in Form von Ammoniak vor, das allerdings sehr giftig auf höhere Tiere wirkt. Wenn Ammonium also aufgetaucht ist, entwickeln sich sehr langsam solche Bakterien, die Ammonium zu Nitrit umbauen. Sie gehören meist der Gattung Nitrosomonas an. Das Nitrit wirkt selbst in geringen Konzentrationen hochgiftig auf Fische. Während der Einlaufphase können Konzentrationen jenseits von 5 mg/l auftreten, die für alle Fische absolut tödlich wären. Eine toxische Wirkung tritt bei den meisten Aquarienfischen ab etwa 0,5 mg/l auf. Sehr empfindliche Fische können ab etwa 0,3 mg/l Vergiftungserscheinungen zeigen. Eine andere Bakteriengattung, die Nitrobakter, oxidieren das Nitrit zu Nitrat, das erst bei höheren Konzentrationen für Fische giftig ist. Erhöhte Werte können jedoch auf Fische wachstumshemmend wirken.

Die beiden genannten Bakteriengattungen gehören zu den sogenannten autotrophen Bakterien, d.h. sie benötigen für ihren Stoffwechsel keine organischen Stoffe. Die Bausteine für ihren Stoffaufbau entnehmen sie ausschließlich anorganischen Verbindungen. So benötigen sie für ihren Kohlenstoffbedarf unbedingt CO2, das sie bei mangelndem Vorkommen im Wasser auch aus den Carbonaten herausbrechen können. In der Folge steigt der pH-Wert. Da diese Bakterien autotroph leben und diese Form sehr energieaufwendig ist, vermehren sie sich relativ langsam, weshalb die Einfahrzeit unbedingt vorsichtig angegangen werden muss. Daher sollte ein Fischbesatz frühestens dann erfolgen, wenn die Nitritphase überwunden ist. Das kann durchaus bis zu sechs Wochen dauern.

Vielen "Jungaquarianern" fehlt jedoch die nötige Geduld, weshalb vielfach erheblich zu früh ein Fischbesatz erfolgt. Oft sind zudem sehr empfindliche Fische darunter, wie z.B. rote Neon, Rotkopfsalmler, Schmetterlingsbuntbarsche, Otocinclus, Black Mollies usw. Von diesen Arten ist in den ersten drei Monaten unbedingt abzuraten. Wenn man sie dennoch einsetzt, sind Krankheitsprobleme und Todesfälle bereits vorprogrammiert. Der Einsatz von Medikamenten kann dann die empfindlichen Bakterien, die sich mühsam erst entwickeln, bereits wieder so stark schädigen, dass das Aquarium biologisch ins Chaos geführt wird. Hieraus entwickelt sich ein Aquarium, das möglicherweise nie einen richtigen Gleichgewichtszustand erreicht, weil sich ein Teufelskreis einstellt, da die gestörten biologischen Verhältnisse häufigen Medikamenteneinsatz nötig machen können. Hieraus kann man ersehen, wie wichtig es ist, während dieser Phase möglichst keine Fische einzusetzen und wenn doch, dann nur ausgesprochen robuste Arten, die wenig empfindlich für Krankheiten sind.

Während der Einlaufphase kann es zu diversen Algenproblemen kommen, die ebenfalls darauf zurückzuführen sind, dass sich noch kein biologischer Gleichgewichtszustand eingestellt hat. Während man Braun- und Grünalgen nicht unbedingt entfernen muss, sollten jedoch entstehende "Blaualgen" unbedingt beseitigt werden, weil sie die Bedingungen im Aquarium nach ihren Bedürfnissen verändern können. Siehe hierzu auch das Kapitel "Algen". Dringend muss allerdings vor dem Einsatz von Algenbekämpfungsmitteln gewarnt werden, weil sie das Milieu nachhaltig negativ beeinflussen können.

Nach der Einrichtung des Aquariums kann es gelegentlich zu Wassertrübungen kommen. Mechanische Verunreinigungen des Bodengrundes können hierfür Ursache sein. Diese Trübung verschwindet jedoch innerhalb eines oder zweier Tage von allein. Anders sieht es mit sogenannten Wasserblüten aus. Diese können durch diverse Einzeller oder Schwebealgen verursacht werden. Unter den Wasserblüten tierischen Ursprungs gibt es vereinzelt solche, die aus sehr aggressiven Flagellaten bestehen können, die selbst Fischen gefährlich werden können, weil sie auf Schleimhäuten und Kiemen parasitieren. In solchen Fällen liegen die Fische meist apathisch auf dem Bodengrund und sind sehr blass. Gelegentlich scheuern sie sich an Gegenständen. Pflanzliche Wasserblüten färben das Wasser trüb grün.

Nach meinen Erfahrungen bringt ein Wasserwechsel bei Wasserblüten keine wirkliche Verbesserung, sondern im Gegenteil eher eine Verschlechterung der Situation. Normalerweise verschwinden die meisten Wasserblüten mehr oder weniger schnell von allein. Einige jedoch sind sehr hartnäckig und sollten dann mit einem UVC-Wasserklärer beseitigt werden. Dieser sollte etwas stärker gewählt werden, als vom Hersteller empfohlen. Er wird vor dem Filter in den Kreislauf eingesetzt. Die harte UVC-Strahlung klumpt die beteiligten Organismen zusammen, wodurch sie für den Filter greifbar werden. Dieser sollte mehrmals grob mit Aquariumwasser gereinigt werden, um die Verursacher aus dem System zu entfernen. Nach zwei bis drei Tagen sollte die Wasserblüte weitestgehend beseitigt sein. Zur Sicherheit sollte der Wasserklärer aber noch ein bis zwei Tage länger in Betrieb bleiben.

Zur Verkürzung der Einlaufzeit kann man verschiedene Wege beschreiten. Zum einen kann man Filtermaterial aus einem gebrauchten Filter in dem neuen Becken ausdrücken, wodurch man einen erhöhten Anfangsbestand an Bakterien und Mikroorganismen einbringen kann. Ebenfalls können Bakterienpräparate für diesen Zweck geeignet sein. Beide Möglichkeiten bringen allerdings nicht viel, wenn die Bakterien keine Nahrung erhalten. Aus diesem Grund kann man ein paar sehr unempfindliche Fische einsetzen, wie z.B. Metallpanzerwelse (Corydoras aeneus) oder punktierte Panzerwelse (Corydoras paleatus). Bei gleichzeitig geringer Fütterung können sich die Bakterien und Mikroorganismen vermehren, wodurch sich schneller ein Gleichgewichtszustand einstellen kann. Die genannten Fische sind zudem in der Lage, Luftsauerstoff aufzunehmen, wodurch sie selbst bei ungünstigen Bedingungen noch existieren können. Sie sind zudem sehr unempfindlich gegen Krankheitserreger. Man darf diese Tiere dennoch nicht ihrem Schicksal überlassen. Die Wasserwerte, vor allem Ammonium und Nitrit, sollten mindestens einmal täglich überprüft werden. Stellen sich erhöhte Werte ein, muss man diese durch einen Teilwasserwechsel wieder in unbedenkliche Bereiche reduzieren. Das kann im Extremfall bedeuten, dass bis zu zweimal täglich ein großer Wasserwechsel von bis zu 70% nötig sein kann, um die Tiere nicht zu gefährden. Der leichtfertige Umgang mit den Fischen sollte unbedingt vermieden werden. Ein Nitrit-Gehalt von 0,5 mg/l muss daher unterschritten werden. Nach wenigen Tagen kann man eine Reduzierung des Anstiegs erkennen.

Erst nachdem das Nitrit unter 0,3 mg/l bleibt, kann man vorsichtig mit weiteren Fischen besetzen. Dabei sollte der Besatz nur in kleinen Schritten erhöht werden, um neuerliche Nitritspitzen durch die erhöhte Wasserbelastung zu vermeiden. Wie bereits erwähnt, sollen empfindlichere Fische frühestens nach drei Monaten eingesetzt werden, weil erst nach dieser Zeit ein vorläufiger Gleichgewichtszustand erreicht ist. Stabil läuft ein Aquarium jedoch erst nach etwa einem Jahr.

 

Der Bodengrund

Der Diffusionsfilter

Der biologische Filter

Algen

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